Sehr geehrter Herr Wegner,

als Mutter, Pädagogin und Betreiberin der Webseite echtunperfekt.com, die sich für Authentizität und lebensnahe Ansätze im Familienalltag und in der Erziehung stark macht, wende ich mich heute mit größter Sorge und einem dringenden Appell an Sie. Ich unterstütze von Herzen die Aktion, die am 2. Juni die gesammelten Briefe an Sie übergeben wird, um ein starkes Signal gegen Kürzungen im sozialen und kulturell-bildenden Bereich zu setzen.

Tagtäglich erlebe ich, wie eine bindungsorientierte, soziale, empathische und vor allem lebensnahe Bildung in unseren Einrichtungen vernachlässigt wird. 

Meine Webseite www.echtunperfekt.com steht für die Anerkennung, dass das Leben nicht perfekt ist, dass Authentizität und echte Begegnungen zählen. Doch genau diese Aspekte, die für eine gesunde Entwicklung unserer Kinder so essenziell sind, finden immer weniger Raum.

Die stetigen Kürzungen in den Budgets verschärfen diese Situation dramatisch. Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher sind bereits jetzt Mangelware und arbeiten am Limit. Es fehlt an multiprofessionellen Teams und an lebensnahen Aktivitäten. Die Konsequenzen dieser Sparpolitik und des Mangels an bedürfnisorientierten Angeboten sind bereits heute dramatisch sichtbar und durch Zahlen belegbar. 

Aktuelle Studien und Erhebungen, beispielsweise aus den Jahren 2023 und 2024, zeichnen ein alarmierendes Bild:
  • Psychische Belastungen: Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die unter Ängsten, Depressionen oder anderen psychischen Problemen leiden, ist signifikant gestiegen. Laut dem DAK-Kinder- und Jugendreport 2023 zeigten im Jahr 2022 fast 29 Prozent der Schulkinder psychische Auffälligkeiten, und Diagnosen von Depressionen und Angststörungen nahmen im Vergleich zu 2019 bei den 10- bis 17-Jährigen um 27% bzw. 30% zu. Dies ist oft eine Folge von Überforderung, fehlenden sozialen Rückzugsorten und mangelnder empathischer Begleitung, Zustände, die durch Kürzungen im sozialen und bildenden Bereich nur verschlimmert werden.
  • Zunahme von Übergewicht: Auch die Prävalenz von Übergewicht bei jungen Menschen gibt Anlass zur Sorge. Aktuelle Auswertungen von Schuleingangsuntersuchungen, wie sie beispielsweise die DAK-Gesundheit 2023 veröffentlichte, zeigen, dass etwa jedes sechste Kind bereits bei der Einschulung übergewichtig oder adipös ist. Fehlende attraktive Bewegungsangebote in Schulen, Kitas und im Freizeitbereich, die oft Sparmaßnahmen zum Opfer fallen. Sowie ein Mangel an Aufklärung über gesunde Lebensführung tragen hierzu bei.
  • Steigender Schulabsentismus: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die dem Unterricht fernbleiben, ist ein weiteres Warnsignal. Experten und Lehrerverbände, wie der Deutsche Lehrerverband 2023, berichten von besorgniserregend gestiegenen Zahlen. Schätzungen deuten darauf hin, dass bis zu 10 Prozent der Jugendlichen dem Unterricht regelmäßig fernbleiben. Eine fehlende positive Bindung zur Institution Schule, das Gefühl, nicht gesehen oder verstanden zu werden, und ein Mangel an motivierenden, lebensnahen und attraktiven Lernangeboten sind hierfür oft ursächlich.

Diese Zahlen sind nicht nur abstrakte Statistiken; sie repräsentieren junge Menschen, deren Entwicklungschancen und Wohlbefinden massiv beeinträchtigt werden, weil wir als Gesellschaft ihnen nicht die notwendige Unterstützung und die ansprechenden, bindungsfördernden Rahmenbedingungen bieten.

Welche Zukunftsperspektive zeigen wir unseren Kindern auf, wenn wir ihnen die Grundlagen für ein erfülltes, sozial eingebundenes und empathisches Leben vorenthalten? Eine hoffnungsvolle Zukunft wird gesellschaftlich kaum noch aufgezeigt, wenn die Ressourcen für Bildung, Betreuung und kulturelle Entfaltung immer knapper werden. 

Es ist ein Armutszeugnis, dass unsere Kinder in der politischen Prioritätensetzung oft an letzter Stelle zu stehen scheinen. Investitionen in ihre Bildung und ihr Wohlergehen sind Investitionen in die Zukunft unserer gesamten Gesellschaft.

Soziale und kulturelle Angebote sind keine „netten Extras„, sondern das Fundament für Resilienz, Kreativität, kritisches Denken und sozialen Zusammenhalt. Sie bieten Schutzräume, fördern Talente, ermöglichen Begegnungen und lehren uns, die Welt aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.

Ich appelliere daher eindringlich an Sie, die Verantwortlichen in der Politik: Stoppen Sie die Kürzungspläne für den Doppelhaushalt 2026 und 2027! 

Setzen Sie stattdessen ein klares Zeichen für die Zukunft unserer Kinder und unserer Gesellschaft. Investieren Sie in eine hochwertige, bindungsorientierte und lebensnahe Bildung, in ausreichend Personal und in vielfältige soziale und kulturelle Angebote. Sorgen Sie dafür, dass unsere Kinder nicht die Leidtragenden einer kurzsichtigen Sparpolitik werden.

Unsere Kinder haben das Recht auf beste Entwicklungschancen und wir haben die Pflicht, ihnen diese zu ermöglichen.

Mit der dringenden Bitte um ein Umdenken und mit hoffnungsvollen Grüßen,

Jennyfer Cetin

Mutter und Pädagogin
Betreiberin von www.echtunperfekt.com

Quellen

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