Sind wir schwächer geworden, oder einfach ehrlicher?

In den letzten Jahrzehnten hat sich unsere Gesellschaft rasant verändert. Immer mehr Menschen klagen über Stress, Burnout und eine Vielzahl von Krankheitsbildern, die scheinbar immer häufiger auftreten. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Doch woran liegt das? Sind wir heute schwächer als frühere Generationen, oder haben wir einfach mehr Mut entwickelt, unsere Grenzen zu erkennen und zu kommunizieren, wenn etwas zu viel wird? In diesem Beitrag möchte ich diesen Fragen nachgehen und gemeinsam mit euch über mögliche Lösungen nachdenken.

Frühere Generationen hatten sicherlich andere Herausforderungen

Sie lebten in einer Zeit, in der es weniger technologische Unterstützung gab, in der harte körperliche Arbeit an der Tagesordnung war und in der psychische Belastungen oft tabuisiert wurden.  Aus heutiger Sicht war die Arbeit früher hart und körperlich anstrengend. Fabrikarbeit, Landwirtschaft oder handwerkliche Tätigkeiten erforderten viel körperlichen Einsatz und waren oft mit langen Arbeitszeiten verbunden. Gleichzeitig gab es jedoch klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Wenn die Schicht vorbei war, war die Arbeit erledigt, es gab keine E-Mails, die bis in den Abend hinein verfolgt wurden, und keine ständige Erreichbarkeit.

Doch bedeutet das, dass sie stärker waren? Oder sind sie einfach anders mit Belastungen umgegangen? Viele Menschen früher hatten keine andere Wahl, als durchzuhalten, oft auf Kosten ihrer Gesundheit. Burnout, Depressionen und andere psychische Erkrankungen gab es damals genauso, sie wurden nur nicht thematisiert. Heute haben wir das Glück, in einer Zeit zu leben, in der psychische Gesundheit immer mehr in den Fokus rückt. Wir wissen, dass chronischer Stress, Überlastung und fehlende Work-Life-Balance krank machen können. Wir haben gelernt, dass es okay ist, Schwäche zu zeigen und um Hilfe zu bitten. Das bedeutet nicht, dass wir schwächer sind, im Gegenteil: Es erfordert Mut, zuzugeben, wenn man an seine Grenzen stößt. Es erfordert Stärke, sich Hilfe zu suchen und Veränderungen einzufordern, sei es im Job, in der Familie oder im persönlichen Umfeld.

Stärke zeigt sich nicht darin, alles alleine zu schaffen und keine Schwäche zu zeigen. Stärke zeigt sich darin, ehrlich zu sich selbst zu sein, Hilfe zu suchen und Veränderungen einzufordern, wenn etwas zu viel wird.

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert.

Während früher klare Arbeitszeiten und eine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit herrschten, verschwimmen diese Grenzen heute immer mehr. Durch die Digitalisierung sind wir ständig erreichbar, E-Mails und Nachrichten. Heute sind die Arbeitsbedingungen in vielen Bereichen weniger körperlich anstrengend, aber dafür psychisch belastender. Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass wir ständig erreichbar sind und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. E-Mails, Nachrichten und Videokonferenzen verfolgen uns bis in den Feierabend hinein, und die Erwartungen an uns sind gestiegen: Wir sollen flexibel sein, immer erreichbar und ständig Höchstleistungen erbringen.

Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie heute mehr Aufgaben in weniger Zeit erledigen müssen. Die Arbeitsverdichtung hat in vielen Bereichen zugenommen, und die Anforderungen an Effizienz und Produktivität sind gestiegen.

Frage an euch: Könnt ihr nach der Arbeit abschalten, oder verfolgt euch der Stress auch in eurer Freizeit?

Hinzu kommt, dass viele Jobs heute komplexer und anspruchsvoller geworden sind. Wir müssen uns ständig weiterbilden, mit neuen Technologien vertraut sein und uns in einer schnelllebigen Welt zurechtfinden. Das kann zu einem Gefühl der Überforderung führen, selbst wenn die Arbeit an sich weniger körperlich anstrengend ist als früher. Viele Fachkräfte in körperlich oder psychisch anspruchsvollen Jobs leiden unter den Belastungen und werden krank. Burnout, Rückenprobleme und andere gesundheitliche Beschwerden führen dazu, dass immer mehr Menschen ausfallen und damit die Personallücke noch größer wird.

Ein wichtiger Faktor, der zum Personalmangel beiträgt, ist der gesellschaftliche Wandel in Bezug auf Bildung und Berufswahl. Früher war es üblich, nach der Schule direkt eine Ausbildung zu beginnen und ins Berufsleben einzusteigen. Heute entscheiden sich immer mehr junge Menschen für ein Studium, was dazu führt, dass in vielen handwerklichen und technischen Berufen Nachwuchs fehlt.

Auch die zugewanderten Menschen, die häufig keine Arbeitserlaubnis erhalten. Sie könnten eine wichtige Rolle dabei spielen, den Fachkräftemangel zu lindern. Viele Migranten bringen wertvolle Qualifikationen und Erfahrungen mit, die jedoch oft nicht anerkannt werden. Die bürokratischen Hürden, um eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, sind oft hoch, und viele Unternehmen scheuen den Aufwand, Migranten einzustellen. Dabei wäre es eine Win-win-Situation.

Nicht nur die Arbeitsbedingungen haben sich verändert,

auch die Anforderungen an das Familienleben sind gestiegen. Früher war es oft noch möglich, dass ein Elternteil zu Hause blieb und sich um die Kinder kümmerte, während der andere arbeiten ging. Heute sind oft beide Elternteile berufstätig, und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird zu einer echten Herausforderung. Viele Eltern sind finanziell gezwungen, beide Vollzeit zu arbeiten. Die Lebenshaltungskosten sind gestiegen, und oft reicht ein Gehalt nicht mehr aus, um die Familie zu versorgen. Dies führt dazu, dass Eltern unter ständigem Druck stehen, sowohl im Beruf als auch in der Familie alles unter einen Hut zu bekommen.

Kinderbetreuung, Haushalt, berufliche Verpflichtungen, all das unter einen Hut zu bekommen, ist für viele Familien ein ständiger Balanceakt. Hinzu kommt, dass die Erwartungen an die Elternrolle gestiegen sind. Eltern sollen heute nicht nur für das Wohl ihrer Kinder sorgen, sondern auch aktiv an deren Bildung und Entwicklung teilhaben. Dies führt zu zusätzlichem Druck, insbesondere wenn man die Unterschiede zwischen elterlicher Erziehung, Kita und Schule heute betrachtet.

Ein besonders schwieriger Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind Krankentage bei kleinen Kindern. Wenn das Kind krank ist, müssen Eltern oft spontan freinehmen, was nicht immer einfach ist. Viele Arbeitgeber zeigen wenig Verständnis für solche Situationen. Krankentage der Kinder oder unvorhergesehene Ereignisse können schnell zu Problemen führen, da es oft an Personal fehlt, das ihre Abwesenheit auffangen könnte. Und auch die finanziellen Einbußen können zusätzlich belasten. Auch die Ferienzeiten stellen eine Herausforderung dar. Während die Kinder mehrere Wochen Ferien haben, haben Eltern oft nur begrenzten Urlaub. Die Frage, wie man die Betreuung in dieser Zeit organisiert, ist für viele Familien ein großes Problem.

Nicht nur Familien mit beiden Elternteilen stehen vor großen Herausforderungen, auch Alleinerziehende haben oft mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie müssen alleine die Verantwortung für die Kinder tragen und gleichzeitig den Lebensunterhalt verdienen. Dies führt oft zu einer enormen Belastung, da sie keine Unterstützung durch einen Partner haben. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass viele Menschen das Gefühl haben, nie wirklich abschalten zu können. Die Folge ist chronischer Stress, der langfristig zu Burnout und anderen psychischen Erkrankungen führen kann. Um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können, braucht es nicht nur individuelle Lösungen, sondern auch gesellschaftliche und politische Veränderungen.

Einige Ursachen könnten vermieden werden, finde ich:

Die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt muss erleichtert werden. Dazu gehören die Anerkennung von Abschlüssen und die Vereinfachung von Arbeitserlaubnissen.

Handwerkliche und technische Berufe müssen wieder mehr Wertschätzung erfahren. Unternehmen sollten in die Ausbildung investieren und jungen Menschen Perspektiven bieten.

Arbeitsbedingungen verbessern, mehr Arbeit heißt mehr Personal. Wenn man die Rahmenbedingungen anpasst, würden viele Leute gerne Arbeiten gehen, 😉 von einer wertschätzenden Bezahlung ganz abgesehen.

Was denkt ihr, welche Maßnahmen wären am effektivsten, um den Personalmangel zu bekämpfen? Welche Erfahrungen habt ihr in eurem Beruf gemacht?

EchtUnperfekt 🙂


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert