Und warum wir darüber reden müssen

Als Erzieherin im Kindergarten und mit Erfahrungen in der Lernbegleitung an Schulen habe ich einen Einblick in beide Welten, die frühkindliche Bildung und das Schulsystem. Beide Bereiche sind unglaublich wichtig, doch sie kämpfen mit ähnlichen Herausforderungen. Zwischen dem, was wir leisten sollten, und dem, was wir tatsächlich leisten können, klafft oft eine große Lücke. Diese Lücke ist nicht nur frustrierend für uns Fachkräfte, sondern hat auch Auswirkungen auf die Kinder, die Eltern und letztlich auf die ganze Gesellschaft.  

Der Soll-Zustand: Was Bildungseinrichtungen leisten sollten

Stellen wir uns vor, wie es sein könnte:  

In der Kita wäre genug Zeit, um jedes Kind individuell zu fördern. Wir könnten uns intensiv um Sprachförderung kümmern, Inklusion leben und den Kindern demokratische Werte vermitteln, zum Beispiel durch Kinderkonferenzen, bei denen sie lernen, ihre Meinung zu äußern und Kompromisse zu schließen. Die Kita wäre ein Ort, an dem Kinder spielerisch lernen, Konflikte lösen und Freundschaften schließen.  Ausflüge planen und durchführen.

In der Schule gäbe es kleine Klassen, in denen Lehrkräfte auf die Bedürfnisse jedes Kindes eingehen könnten. Es wäre Zeit für kreative Projekte, demokratische Partizipation (wie Schülervertretungen) und eine intensive Vorbereitung auf das Berufsleben. Die Schule wäre ein Ort, an dem nicht nur Wissen vermittelt wird, sondern auch soziale Kompetenzen und kritisches Denken gefördert werden.  

Klingt traumhaft, oder? Doch die Realität sieht oft anders aus.  

Der Ist-Zustand: Was tatsächlich geleistet wird

In der Kita fehlt es oft an Personal. Wir Erzieher:innen sind überlastet, weil wir zu viele Kinder betreuen müssen. Sprachförderung, Inklusion und intensive Elterngespräche bleiben oft auf der Strecke. Dabei wissen wir, wie wichtig diese Dinge sind. Ich erlebe es jeden Tag: Ein Kind braucht mehr Zeit, um sich auszudrücken, ein anderes hat besondere Bedürfnisse, und die Eltern möchten regelmäßig über die Entwicklung ihres Kindes informiert werden. Doch oft fehlt uns schlicht die Zeit, um all das zu leisten.  

In der Schule sieht es ähnlich aus. Lehrkräfte kämpfen mit großen Klassen, Bürokratie und hohen Erwartungen. Individuelle Förderung, kreative Projekte und demokratische Partizipation bleiben oft Wunschdenken. Als Lernbegleiterin habe ich erlebt, wie schwer es ist, Kinder mit unterschiedlichen Lernständen gleichzeitig zu unterstützen. Manche Kinder brauchen mehr Hilfe, andere sind unterfordert und die Lehrkraft steht allein da und versucht, allen gerecht zu werden.  

Das gesellschaftliche Bild: Bedeutung vs. Realität

Erzieher:innen und Lehrkräfte leisten Unglaubliches, doch ihre Arbeit wird oft nicht angemessen gewürdigt. Während Lehrer:innen noch ein gewisses Prestige genießen, werden Erzieher:innen oft als „Betreuer“ abgetan. Dabei sind wir viel mehr als das: Wir sind Pädagog:innen, die die Grundlage für die Entwicklung der Kinder legen. Wir fördern ihre sozialen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten und bereiten sie auf die Schule vor. Doch unsere Arbeit wird oft unterschätzt, sowohl gesellschaftlich als auch finanziell.  

Ich erlebe es immer wieder: Wenn ich erzähle, dass ich Erzieherin bin, ernte ich oft Kommentare wie: „Ach, das ist doch ein schöner Job, du spielst den ganzen Tag mit Kindern.“ Dabei geht es um so viel mehr: Wir beobachten, dokumentieren, planen pädagogische Angebote, führen Elterngespräche und sind oft die ersten, die Entwicklungsverzögerungen oder Probleme erkennen. Doch diese Arbeit bleibt oft unsichtbar.  

Warum wir darüber reden müssen!

Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit hat Auswirkungen auf uns alle. Wenn Kinder in der Kita nicht ausreichend gefördert werden, wirkt sich das auf ihre Schullaufbahn aus. Wenn Schulen überlastet sind, leiden die Schüler:innen darunter und damit auch die Gesellschaft. Denn Bildung ist die Grundlage für alles: für eine funktionierende Demokratie, für den Arbeitsmarkt, für ein friedliches Miteinander.  

Doch wie können wir diese Lücke schließen?  

Ich bin mir sicher, dass eine ausreichende Finanzierung der Bildungseinrichtungen entscheidend ist. Es muss diskutiert werden, wie die Ressourcen fair und effizient verteilt werden können, um die bestmögliche Förderung aller Kinder zu gewährleisten.

In Kitas und Schulen brauchen wir mehr Fachkräfte, um die individuelle Förderung zu gewährleisten. Erzieher:innen und Lehrkräfte brauchen mehr Unterstützung, sei es durch weniger Bürokratie, mehr Fortbildungen oder eine bessere Bezahlung. Wir müssen die Bedeutung dieser Berufe stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken. Erzieher:innen und Lehrkräfte verdienen Respekt und Anerkennung für ihre Arbeit.  Ich möchte diesen Blogbeitrag nutzen, um eine Diskussion anzustoßen. Denn nur, wenn wir darüber reden, können wir etwas verändern.  

Wie bewertet Ihr die gesellschaftliche Anerkennung von Erzieher:innen und Lehrkräften?   

Wie können wir die Bedeutung dieser Berufe stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken?  

Es ist Zeit für Veränderung!

Bildungseinrichtungen sind mehr als nur Betreuungsorte, sie sind die Werkstätten unserer Zukunft. Doch um ihr volles Potenzial zu entfalten, brauchen sie mehr Unterstützung: mehr Personal, multiprofessionelle Teams, bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung. Als Erzieherin und Lernbegleiterin weiß ich, wie viel in diesen Berufen steckt und wie viel noch möglich wäre, wenn wir die Rahmenbedingungen verbessern würden.  

Es ist an der Zeit, dass wir darüber sprechen und handeln. Denn jedes Kind verdient die bestmögliche Bildung und jede Fachkraft verdient die bestmöglichen Bedingungen, um diese Aufgabe zu erfüllen.  

Was denken Ihr? Teilt eure Meinung und Erfahrungen in den Kommentaren!

EchtUnperfekt 🙂


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