Die Pubertät ist eine herausfordernde Zeit, nicht nur für die Jugendlichen selbst, sondern auch für uns Eltern und die Schule. Als Mutter musste ich mich auf diesem Weg viel weiterentwickeln und dazulernen. Besonders schwer, fiel es mir, nicht alles persönlich zu nehmen und loszulassen. Doch genau das ist in dieser Phase essenziell: den Jugendlichen Verantwortung zu übergeben und das auch klar zu kommunizieren.
Diese Lebensphase ist geprägt von Veränderungen körperlich, emotional und mental. Viele Dinge, die uns als Eltern oder Lehrkräfte manchmal unverständlich erscheinen, sind biologisch vorhersehbar. Phasen der Unsicherheit, Selbstfindung, Zweifel und Scham sind ganz normal. Die Konzentration kann schwanken, das Schlafverhalten verändert sich, und oft haben die Jugendlichen ganz andere Prioritäten, als wir es uns wünschen würden.
Die Herausforderungen der Pubertät
Ein Balanceakt für Eltern:
Für mich war eine der wichtigsten Erkenntnisse, dass es nicht darum geht, gegen die Veränderungen zu kämpfen, sondern mit ihnen zu arbeiten. Es hilft, immer wieder die eigene Haltung und das eigene Handeln zu reflektieren. Diese Selbstreflexion hat viele Spannungen in unserem Familienalltag reduziert.
Ein offenes Ohr zu haben, ehrlich zuzuhören, wenn die Jugendlichen etwas sagen, und verständnisvoll mit ihnen zu kommunizieren, sind grundlegende Bausteine für eine gute Beziehung in dieser Phase. Jugendliche brauchen in dieser Zeit besonders viel Verständnis und Orientierung, ohne das Gefühl zu bekommen, kontrolliert oder bevormundet zu werden.
Schule als wichtiger Begleiter
Bildung und Erziehung sind nicht mehr getrennt:
Nicht nur das Elternhaus, sondern auch die Schule muss sich den Veränderungen der Jugendlichen anpassen. Jeder einzelne Jugendliche sollte wahrgenommen werden, nicht als eine Nummer, sondern als Mensch mit individuellen Bedürfnissen.
Ein wichtiger Aspekt, den wir heute nicht übersehen dürfen, ist, dass Kinder und Jugendliche viel mehr Zeit in Bildungsinstitutionen verbringen als frühere Generationen. Schule ist längst nicht mehr nur ein Ort des Lernens, sondern übernimmt immer mehr Aufgaben der Erziehung. Die Gründe dafür sind vielfältig:
Der steigende Leistungsdruck in der Gesellschaft führt dazu, dass Kinder immer länger in Schulen oder Betreuungseinrichtungen bleiben.
Die Anforderungen im Arbeitsleben sorgen dafür, dass Eltern oft weniger Zeit haben, ihre Kinder in der gewohnten Form zu begleiten.
Ganztagsschulen und Betreuungsangebote sind für viele Familien notwendig geworden, weil sie den Alltag strukturieren und unterstützen.
Das bedeutet, dass Schule nicht mehr nur als Ort der Wissensvermittlung betrachtet werden kann. Sie muss eine Umgebung schaffen, in der Jugendliche nicht nur lernen, sondern auch emotionale und soziale Kompetenzen entwickeln können. Das setzt eine Veränderung der Strukturen voraus, hin zu mehr Flexibilität und einer stärkeren Beziehungsarbeit.
Ein neuer Rhythmus für die Schule?
Ein großes Problem ist der veränderte Biorhythmus in der Pubertät. Jugendliche werden abends oft nicht früh müde, brauchen aber morgens deutlich mehr Schlaf. Doch unser Schulsystem sieht starre Anfangszeiten vor, die kaum Rücksicht auf diese biologische Tatsache nehmen. Das führt dazu, dass viele Kinder und Jugendliche unausgeschlafen im Unterricht sitzen und sich kaum konzentrieren können.
Dazu kommt der Umbau im Gehirn: Die hormonellen Veränderungen beeinflussen nicht nur die Emotionen, sondern auch das Denken und die Konzentrationsfähigkeit. In einer Phase, in der ohnehin vieles im Kopf der Jugendlichen passiert, müssen sie sich gleichzeitig auf Prüfungen, Noten und Leistung konzentrieren.
Flexibilität als Lösung
Ein neues Denken in der Schule
Es gibt bereits Vorschläge, wie man die Schule besser an die Bedürfnisse der Jugendlichen anpassen könnte. Ein späterer Schulbeginn in den Jahrgangsstufen 7 und 8, beispielsweise um 9 Uhr oder mit einem flexiblen Beginn zwischen 8:30 und 9:00 Uhr, könnte eine große Entlastung sein. Studien zeigen, dass Jugendliche dadurch erholter und aufnahmefähiger wären.1
Doch es geht nicht nur um die Anfangszeiten. Schulen brauchen bessere Rahmenbedingungen, um auf die Bedürfnisse der Jugendlichen einzugehen:
Eine Ausstattung, die zeitgemäßes Lernen ermöglicht
Eine respektvolle Kommunikation und wertschätzende Haltung gegenüber den Jugendlichen
Mehr Beziehungsarbeit zwischen Lehrkräften und Schüler:innen
Gerade die Beziehungsebene ist entscheidend. Jugendliche müssen sich in der Schule sicher, verstanden und geschätzt fühlen. Wenn sie sich nicht gesehen oder wertgeschätzt fühlen, verlieren sie oft die Motivation und das Vertrauen in das System.
Was Schule den Jugendlichen wirklich vermitteln sollte
Die Schule sollte nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung sein, sondern die Jugendlichen auf das Leben vorbereiten. Neben den klassischen Unterrichtsfächern sollten auch Kompetenzen vermittelt werden, die für ein selbstbestimmtes Leben wichtig sind:
Lösungsstrategien für Probleme entwickeln
Kommunikationsfähigkeiten und die Fähigkeit, konstruktive Dialoge zu führen
Kritikfähigkeit und Reflexionsvermögen
Digitale Kompetenzen für zukünftige Berufe
Da die Schule heute immer mehr zur zweiten Erziehungsinstanz geworden ist, sollte sie diesen Auftrag auch ernst nehmen und sich entsprechend weiterentwickeln. Es geht nicht nur um Lehrpläne, sondern um eine Haltung, die Jugendliche als Menschen mit individuellen Bedürfnissen sieht.
Schule neu denken
Die Bildungswende gestalten
Neben inhaltlichen Veränderungen muss auch die Infrastruktur der Schulen angepasst werden. Viele Schulgebäude sind nicht darauf ausgerichtet, eine moderne und flexible Bildung zu ermöglichen. Eine Bildungswende braucht nicht nur neue Konzepte, sondern auch räumliche Anpassungen.
Wir dürfen nicht einfach zuschauen, wie sich unser Schulsystem weiter in alten Strukturen verfängt. Wir können aktiv Teil der Veränderung sein. Was wir heute an Zeit, Geld und Engagement investieren, wird sich langfristig auszahlen. Denn Jugendliche, die sich sicher und wertgeschätzt fühlen, werden das, was sie an Unterstützung bekommen haben, in die Gesellschaft zurückgeben.
Bitte
Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, dass Schule ein Ort wird, an dem Jugendliche sich entwickeln können, ohne Angst, ohne Druck, sondern mit Motivation und Freude am Lernen. Die Pubertät ist eine herausfordernde Zeit, aber sie ist auch eine Chance: für uns als Eltern, als Lehrkräfte und als Gesellschaft.
Eure Meinung ist mir wichtig:
Würdet ihr eine flexiblere Gestaltung des Schulalltags, z. B. einen späteren oder gleitenden Schulbeginn, befürworten? Warum oder warum nicht?
Welche Erfahrungen habt ihr mit der Pubertät eurer Kinder oder Schüler:innen gemacht? Was hat euch geholfen?
Freue mich auf euer Feedback!
EchtUnperfekt 🙂
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